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Ein Kuss ist mehr wert als 1000 LIKES


Ich saß heute wieder an der Alb.
So heisst der Fluss an dem ich lebe.
Schön warm war es, ich saß oder lag da so rum -
habe gelesen, geschrieben und nachgedacht.
Das rauschen der Alb hilft mir immer beim Denken.
Es ist echt sooooo schön das endlich wieder Frühling ist.
Manchmal sitze ich einfach nur so da und beobachte die Menschen.
Viele Menschen laufen an mir vorbei und dabei muss ich leider
immer wieder feststellen,- viele glotzen nur in ihr Handy,
im Netz versunken und nehmen nicht mehr wahr was um sie herum passiert.
Wie Untote -Zombies,- ein echt trauriger Anblick, jedenfalls für mich.
Naja - die Optiker und Augenärzte werden sich bald freuen.
Es ist viel gesünder für die Augen in die Ferne zu schauen.
Will ich den Zahlen glauben, dann glotzen die meisten im Schnitt
6 Stunden pro Tag in ihr Handy- als gäbe es nichts wichtigeres
als der Drang der Selstdarstellung und die Suche nach „LIKES“-
Ich hätte Optiker werden sollen:-)
Am schlimmsten finde ich es wenn selbst Freunde oder Paare
zusammen sitzen und jeder glotzt nur in sein Handy.
Sie verlernen es sich miteinander zu unterhalten
Sie haben sich nichts mehr zu sagen.
Pünktlich wie immer auf der anderen Seite der Alb kommen dann
Schüler nach Schulschluß – rauchen, rotzen und trinken irgendwelche Energy-Drinks
aus Blechbüchsen und glotzen in ihr Handy.
Jeder versucht natürlich möglichst cool zu sein
damit er möglichst viel „LIKES“ bekommt.
Likes für belanglose Dinge, die sich meist auf die reine Selbsdarstellung reduzieren.
Und natürlich mus auch jeder das der anderen „LIKEN“
aus Angst sie könnten nicht dazu gehören und sie keiner mehr mag
weil zu wenig „LIKES“ haben.
Nach einer Weile hat dann jeder seine Energy Chemiebrühe
ausgetrunken und wirft dann die leere Dose in die Alb.
Das muss muß man so machen – sonst ist man ja nicht cool und bekommt
keine LIKES .
Naja – jedenfalls fische ich dann die Dosen wieder aus der Alb
und schmeiße sie in den dafür vorgesehenen Mülleimer
der übrigens direkt neben der Stelle steht von wo aus die Dose geworfen wurde.
Mich dafür LIKEN das tut niemand- naja dann LIKE ich mich eben selbst. :-)
Inzwischen gibt es Menschen (vor allem junge Mädchen) die
sich umbringen weil sie zu wenig „LIKES“ haben oder ihr Handy kaputt ist.
Es gibt so viele Wege im Leben die man gehen kann -
einige sind falsch abgebogen .
Gleichgültig, mißachtend, keinerlei Wertschätzung, das Leben das sie leben kälter,
viele scheißen auf alles und jeden.
Naja – also nicht jeder – aber viele – und sie werden immer mehr.
Das Gute ist nur, es gibt auch viele die den richtigen Weg eingeschlagen haben
- und die werden auch immer mehr.
Nachdem ich dann die umweltunfreundlichen scheiß Aluweißblechdosen in denen
immer noch ein bißchen von dieser Energychemieplörre war entsorgt hatte
beschloss ich, und das ganz spontan, mein zweites Steinmännle in diesem Jahr zu bauen.
Aus Steinen und nicht aus Dosen, sonst würden sie ja Dosenmännle heißen und die haben in der
Alb nichts zu suchen.Außerdem lagen die Dosen ja schon im Mülleimer und in dem
habe ich nichts zu suchen.
Ich habe also angefangen ein Steinmännle zu bauen als plötzlich ein junge Mutter
mit ihrem Kind zu mir an die Alb kam. Es war ein Junge, etwa 8 Jahre alt.
Er sah mich mit seinen großen Kulleraugen neugirig an.
„Was machst du denn da“ -
„Hallo, ich heiße Ingo und baue ein Steinmännle“
“ Ein Steinmännle - was soll das den sein?“
„Was ? - du weißt nicht was ein Steinmännle ist“
„Nö“
„Keine Ahnung was so ein Steinmännle sein soll“
„Du kannst mir ja helfen,dann weißt du´s“
„Okay - ich heiß Loup“
„Aahh du bist ein Franzose“
„Nö – ich bin Loup“
Da musste ich lachen und die Mutter auch.
Die Mutter schien einverstanden.
Ich zog ihm seine kleinen Schüchen aus, krempelte seine Hosen hoch und gingen dann ins Wasser.
Er riß seinen Mund weit auf „ uhhh kalt“ und ging anfangs noch etwas wacklig durchs Wasser.
Aber es ist wie immer- wenn man den ersten Schritt erstmal gemacht hat kommen die anderen
von ganz alleine.
Die Mutter saß oben auf der Mauer und sah uns zu und hat die ganze Zeit gelächelt.
Wir bauten also unser Steinmännle und ich habe im erklärt vorher das Wasser kommt,
das alles miteinander verbunden ist. - Ständig in Bewegung und sich verändert. (Panta rhei)
Loup war sehr wissbegierig und hat mir bei allem was ich ihm über Steinmännle
erzählt habe sehr gut zugehört. Dann began er sein erstes Steinmännle zu bauen, sichtlich
versunken in seinem Tun – es gab nur noch ihn, das Wasser, die Steine – die Natur die ihn wärmte
Dann kam plötzlich eine Frau mit 3 Kindern im Schlepptau zu uns.
Ich hatte sie schon von weitem kommen sehen. Die Kinder erschienen mir nicht sehr glücklich
denn sie gingen sehr lustlos - mit gesenkten Köpfen.
Bis sie uns sahen.
Die Frau – ich glaube es waren nicht ihre eigenen Kinder.
Ich glaube es war eine Tagesmutter und die Kinder waren keine Geschwister.
Die Kinder wollten mir und Loup helfen und auch Steinmännle bauen.
Die Frau rief aber zu den Kindern:
„Nein – geht da lieber nicht rein ist doch viel zu kalt und schmutzig“
Loup sah mich an zuckte mit den Schultern und sagte „pfh pfh“
Ich zuckte dann auch mit den Schultern und sagte auch „pfh pfh“
Ja – ich denke Loup und ich - wir beide haben uns von Anfang an gut verstanden.
Ich bin dann kurz hoch in meine Wohnung gegangen und habe ein T-Shirt geholt.
Leider habe ich nur eins davon. - hätte aber 3 gebraucht.
Das eine habe ich dann einem der 3 Kinder angezogen.
Auf dem T- Shirt ist vorne draufgedruckt - „ Ich will ernst genommen werden“
( hinten soll dann der Name des Kindes drauf)
Die Frau (Tagesmutter???) hat nur verduzt geguckt - und dann sind sie gegangen -
noch trauriger als sie gekommen waren.
Die Mutter von Loup hat dann auch „pfh“ gemacht hat uns zugezwinkert
und gesagt sie geht schnell was holen und ist in 5 Minuten wieder da.
Und nach 5 Minuten kam sie dann auch wieder. Mit 3 dicken Tüten Eis.
Wir haben uns dann alle 3 auf die Mauer gesetzt haben genüßlich das Eis
geschlozt und von oben unser Werk bestaunt. Wir waren stolz als hätten wir gerade
den Eifelturm gebaut. - Dann mussten sie aber nach Hause.Ich habe mich von Loup
verabschiedet.
Der Mutter habe ich die Hand gegeben und „Danke“ gesagt.
Sie - „ Für was“
Ich- „ Für ihr Vertrauen“
Da hat sie komisch geguckt als käme ich vom Mond.
Sie hat nichts darauf gesagt und mir einen Kuß auf meine Wange gegeben.
Dann sind sie gegangen.
Auf jeden Fall ist so ein Kuß ohne Worte mehr wert als jedes scheiß “LIKE“
und Loup weiß jetzt wie man Steinmännle baut und voher das Wasser kommt.


ENDE


Sie werden es nicht glauben,
aber ein paar Tage später, - ich saß wieder an der
Alb, da kam plötzlich Loup um die Ecke geflizt.
Völlig aufgeregt - er hatte Sorgen das kein Wasser
mehr in der Alb ist weil es es die letzten Tage
nicht geregnet hatte und er keine Steinmännle mehr
bauen kann.
Loup hat echt gut zugehört
solche Momente machen mich glücklich.

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Kommentare: 6
  • #1

    ein Bürger Ettlingens (Freitag, 22 Oktober 2021 18:08)

    wichtig und richtig

  • #2

    Peter (Freitag, 22 Oktober 2021 23:45)

    Nachricht: Lieber Ingo,
    ich durfte dich letztes Jahr auf der Mauer an der Alb in Ettlingen beim Verkaufen erleben. Da kam ich zum Straßenmusizieren nach Ettlingen. Als ich vor ungefähr drei Wochen in Ettlingen spielte, hätte ich mich gefreut, wenn ich dich getroffen hätte. Nun, in einem Fotoladen, vor dem ich spielte, waren Bilder von dir. Und jetzt habe ich mal gegugelt.
    Dein wunderbares Licht, das du leuchten lässt und zeigst, ist so schön. Auch deine Internetpräsenz inspiriert mich. Und ich gehe jetzt aus meinem Loch meiner Depression, der ich derzeit Raum gebe. An den Altrhein, zum Bauen und zum Sein und zum Verbinden.
    Danke, dass du da bist,. Ich fühle mich dir in Lebendigkeit verbunden.
    Herzliche Grüße, Peter

  • #3

    Roswitha R. (Freitag, 22 Oktober 2021 23:51)

    Nachricht: Hallo, Ingo, nochmal!
    Ich habe es Dir ja am Sonntag schon gesagt, Du bist ein grossartiger Künstler der besonderen Art! -
    Demnächst suche ich mir ein schönes Foto aus. Das wird schwer genug sein, weil alle schön sind!

  • #4

    Rainer (Freitag, 22 Oktober 2021 23:53)

    Hallo Herr Prechelt,

    habe gerade ihre Geschichte mit "Loup" gelesen und war sehr bewegt davon. Ihre Gedankengänge (auf das Handy starren, Energy-drinks, Müll "entsorgen", rotzen, ... etc.) konnte ich sehr gut nachvollziehen.

    Weiterhin viel Freude beim "Steinmännle bauen"!

    Wünsche Ihnen alles Gute!

    Rainer

  • #5

    Inge N. (Montag, 25 Oktober 2021 09:39)

    Lieber Herr Prechelt,

    schon lange bewunderte ich ihre Steinkunst in der Alb! Habe auch schon Fotos davon gemacht!
    Nun konnte ich sie am Ettlinger HERBSTMARKT auf der Albbrücke auch einmal persönlich kennenlernen! Ich war die dicke Frau im Rollstuhl! Werden sich wohl nicht erinnern können, bei diesen vielen Menschen!
    Habe dann daheim in ihrer Homepage die Geschichte von LOUP gelesen und war total begeistert! Sie sind nicht nur ein Steinkünstler, sondern auch ein super Schriftsteller! Sie können so blumig und packend schreiben, dass man immer weiter lesen möchte! Haben sie ihre Geschichte schon in einem Buch veröffentlicht? Wenn nicht, dann sollten sie es tun! Sie beschreiben alles so treffend und nett, dass einem das Lesen so Freude macht!

    Also schreiben sie ein Buch über ihre Geschichte und erfreuen sie weiter die Leute mit ihren STEINMÄNNCHEN in der Alb!
    Mit freundlichen Grüßen
    Inge N.

  • #6

    Thomas - der Nachbar (Samstag, 18 Dezember 2021 14:48)

    Lieber Ingo,
    so Vieles hier von Dir beschriebenes, beobachte ich auch.....
    Mal sind es eher unschöne Beobachtungen - Du benennst sie sehr treffend - mal sind es aber auch schöne und fröhliche Dinge, die man hier an der Albmauer erleben darf.
    Und weil die schönen Dinge und Erlebnisse überwiegen, habe ich den Gedanken immer wieder verworfen, mit meinem Lädle in vielleicht besser frequentierte Straßenzüge Ettlingens oder der Nachbarorte umzuziehen, als die Albstrasse es ist.
    Ein Hauptgrund hierfür ist die Alb selbst, der schöne Baum vis-à-vis meiner Fenster und die Möglichkeit, mal mit einem Becher Kaffee vor die Tür, nahe ans rauschende Wasser zu gehen.
    Dann sind die Momente besonders, wenn ich Dir - tief in die Statik deines Projektes vertieft - ein paar Minuten zuschauen kann, wie etwas entsteht, was immer schön und doch sehr vergänglich ist....
    Deshalb mag ich auch deine Fotos, die Steinmännlen festhalten können, die Wind und/oder Wasser längst fortgetragen haben.
    Für mich gehört das alles untrennbar zusammen und macht die Albstrasse aus.